Notwehrirrtum und Schadenersatz

  • Ein interessantes Urteil zum Recht auf Schadenersatz des auf frischer Tat ertappten Täters nach einer Festnahmehandlung nach 127 StPO durch einen Sicherheitsdienst mit körperlichen Auseinandersetzung in der irrigen Annahme, einen (vermeintlichen) Täter gestellt zu haben.

  • Zitat von Wolperdinger

    Ein interessantes Urteil zum Recht auf Schadenersatz des auf frischer Tat ertappten Täters nach einer Festnahmehandlung nach 127 StPO durch einen Sicherheitsdienst mit körperlichen Auseinandersetzung in der irrigen Annahme, einen (vermeintlichen) Täter gestellt zu haben.


    Hmm... in wie fern ist das Urteil denn interessant?
    Wir haben hier einmal einen mehr oder weniger unschuldigen, dem SMA den Zutritt zum eigenen Wagen nicht gewährten. Der hat darauf hin nicht das ihm mildeste zur Verfügung stehende Mittel eingesetzt (Reden oder Wegschubsen), sondern hat zugeschlagen. Daraufhin hat ein SMA dem Typen in Notwehr eins vor die Rübe geknallt. Was ich auch ganz Toll finde. Da waren wohl Profis am Werk - was sowohl das Schlagen als auch das Stellen eines Verdächtigen angeht.

  • Aha ... so klar ist das. Habe da bei den ellenlangen Diskussionen um den 127er einen anderen Eindruck. Aber gut zu wissen :|

  • Hallo,


    DIe Handlungen des SMA wurden doch als "Recht" anerkannt.......

    "Wo wir sind klappt nichts.........aber wir können nicht überall sein........"

  • Ja, schon klar.


    Nur eins noch: Wer mich am Einsteigen in mein Kfz hindert und ich hab nix getan, der bekommt ganz sicher eine auf die Waffel.

  • Zitat von Wolperdinger


    Nur eins noch: Wer mich am Einsteigen in mein Kfz hindert und ich hab nix getan, der bekommt ganz sicher eine auf die Waffel.


    Aber nicht vergessen vorher zu warnen, dass es Unrecht ist, was die die Vögel machen und zuerst Schubsen, dann zuschlagen.


    Aber vor allem: Selbst keine Schläge abbekommen!


    Zitat von KampfKraut

    Und da stimmt die Verhältnismäßigkeit? :D


    Argh! Nix Verhältnismäßigkeit! Mildestes Mittel!!!!!

  • Zitat von D_R


    Argh! Nix Verhältnismäßigkeit! Mildestes Mittel!!!!!


    Oder einfach: Erforderlichkeit.

    "Was ich anpacke, klappt immer..... ...manchmal
    Mike Lowrey - Bad Boys


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  • Ich bekomme hoffentlich jetzt kein Ärger, weil ich das Thema missbrauche, aber zu dem Thema hätte ich eine Frage :)


    Zitat von D_R

    Aber nicht vergessen vorher zu warnen, dass es Unrecht ist, was die die Vögel machen ...


    Verliere ich damit das "Jedermannsrecht" bzw. das Recht nach §127? Mir kann doch jeder erzählen, das er unschuldig ist und nichts getan hat.


    Außerdem sind jetzt drei Begriffe gefallen, könnte man mir den Unterschied erklären?


      Erforderlichkeit
      Mildestes Mittel
      Verhältnismäßigkeit


    Ich würde das ganze nach meinem aktuellen Wissen so bewerten:


    Erforderlichkeit - Notwehr, Notstand u. Selbsthilfe bzw. wenn ein Rechtfertigungsgrund vorliegt


    Mildestes Mittel - Im Falle des Urteils, wurde ich vom Verdächtigen geschlagen und darf nicht gleich mit der Autoantenne zuschlagen, unabhängig davon, das wir dann sowieso eine Sachbeschädigung hätten. Ich muss also das "mildeste Mittel" nutzen, was in dem Fall waffenlose Selbstverteidigung wäre. Ich meine allerdings gelesen zu haben, das im Fall der Notwehr egal ist, wie ich mich verteidige.


    Verhältnismäßigkeit - Eigentlich das selbe mir "Mildestes Mittel" oder?

  • Nein, die Verhältnissmässigkeit ist nicht wirklich das Gleiche wie das mildeste Mittel.


    Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit bedeutet etwas ganz anderes.
    Er beinhaltet zwingend
    - den legitimen Zweck
    - die Eignung
    - die Erforderlichkeit
    - die Angemessenheit (Verhältnismässigkeit im engeren Sinn)


    In dieser Form wird das im Gegensatz zu z.B. Handlungen im unmittelbaren Zwang von Polizeibeamten nicht alles bei der Notwehr gefordert.


    Auch das mit dem mildesten Mittel wird oft falsch interpretiert.
    Das spielt zwar tatsächlich in der Frage der Erforderlichkeit eine Rolle, aber eben etwas anders als es oft verstanden wird.
    Erforderlich ist die Verteidigung mit dem gewählten Mittel, wenn kein milderes Mittel gleicher Eignung zur Verfügung steht.
    Etwas anders gesagt: Wenn kein anderes, milderes Mittel verfügbar ist, das in mindestens gleicher Weise geeignet ist, den Angriff zu beenden, ist das Mittel erforderlich.
    Auch nicht unwichtig dabei: Der Verteidigende muss kein Risiko weiterer Verletzungen eingehen und sich bei mehreren verfügbaren Mitteln "hochtasten". Sprich: Beispielsweise zunächst die rein körperliche Verteidigung versuchen und erst bei Erfolglosigkeit dieser den mitgeführten Schlagstock nutzen.


    Es mag im Einzelfall anders sein, wenn der waffenlose Angreifer ein Hanswurst mit 50kg auf 160cm Körpergrösse ist, der Verteidigende 110kg bei 200cm auf die Waage bringt, aber da reden wir dann schon von besonderen Fällen.


    Auch eine oft interpretierte "Verhältnismässigkeit der Mittel" gibt es so nicht - denn das würde eine Abwägung der eingesetzten Mittel von Angreifer und Verteidiger bedeuten, und der Verteidigende dürfte immer nur maximal ein gleichwertiges Mittel wie der Angreifer einsetzen.
    Fakt ist aber, dass selbst eine tödliche Waffe wie eine Schusswaffe als Verteidigunsmittel erforderlich (und damit auch gerechtfertigt) sein kann, wenn der Angreifer entweder vollkommen waffenlos oder "nur" mit einem Knüppel agiert.
    Die Schusswaffe kann im Einzelfall tatsächlich das erforderliche Mittel sein, wenn andere von mehreren verfügbaren Verteidigungsmittel von vornherein ungeeignet erscheinen, den Angriff sicher zu beenden.
    Und das gilt grundsätzlich bei allen Notwehrlagen, egal welches (grundsätzlich notwehrfähiges) Rechtsgut angegriffen wird, es muss sich nicht zwangsläufig um ein Angriff auf das Leben oder die Gesundheit handeln. Auch sein Eigentum darf man so schützen, wenn die grundsätzlichen Voraussetzungen der Notwehr vorliegen. Denn das wäre dann eben die Verhältnismässigkeit (im engeren Sinn), die bei Notwehr eben nicht gefordert ist. Eine Rechtsgüterabwägung findet in der Notwehr nicht statt.


    Zu beachten wäre lediglich, dass kein sogenanntes "krasses Missverhältnis" zwischen den betroffenen Rechtsgütern von Angreifer und Verteidiger vorhanden sein darf. Geringwertiges Eigentum des Verteidigers versus Leben des Angreifers wäre solch ein krasses Missverhältnis (der lehrbuchmässige Kirschendieb, der vom Bauer mit der Schrotflinte behamdelt wird).

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  • guardian_bw
    Ich vermisse hier tatsächlich einen Like-Button ;)


    Eine Sache möchte ich noch hinzufügen:
    In einer Notwehrsituation muss ich nicht auf schwächere Waffen zurückgreifen, wenn der Angreifer seine Waffe aufgibt.


    Beispiel:
    Ich werde mit einem Messer angegriffen, also ziehe ich meine Pistole. Wenn der Angreifer jetzt das Messer weglegt, bin ich nicht gezwungen, auch die Pistole wieder einzustecken um z.B. den Schlagstock oder OC zu nehmen.


    Wobei mich bei dem Thema noch eine andere Sache interessiert.
    Ist das Mittel "Pistole ziehen" oder "Warnschuss abgeben" nicht milder, als der Einsatz von Pfeffer oder Schlagstock?

  • Zitat von D_R

    Wobei mich bei dem Thema noch eine andere Sache interessiert.
    Ist das Mittel "Pistole ziehen" oder "Warnschuss abgeben" nicht milder, als der Einsatz von Pfeffer oder Schlagstock?


    Naja, so lange es dabei bleibt, würde ich das auch als milder ansehen.
    Problem: Wenn sich der Angreifer davon nicht beeindrucken lässt und seinen Angriff nicht beendet - was dann?


    Es ist eben nach wie vor so, dass ich mich in der Schwere der Mittel nicht hochtasten muss. Zunächst das mildere Mittel des Androhens eines Schusswaffengebrauchs versuchen, nur um dann festzustellen dass das nicht wirkt, könnte fatale Folgen haben:
    Entweder ich nutze dann tatsächlich die Schusswaffe auch zur endgültigen Abwehr des Angriffes, obwohl dies aufgrund anderer, ebenso geeigneter aber milderen mitgeführten Mittel nicht erforderlich gewesen wäre - dann habe ich höchstwahrscheinlich ein Problem vor dem Richter.
    Oder ich versuche, die Schusswaffe wieder wegzustecken und mein anderes verfügbares Mittel (OC, Schlagstock etc) zu nutzen, und verliere dabei wichtige Zeit, innerhalb derer mein Angreifer mich erheblich verletzen kann - dann habe ich zwar kein Problem vor dem Richter, aber möglicherweise wache ich dann im Krankenhaus wieder auf. Im harmlosen Fall.


    Ich habe es mal so gelernt, dass der Schusswaffengebrauch nur dann angedroht wird, wenn dieser auch tatsächlich erlaubt ist. Das war zwar zu anderen Zeiten und aufgrund anderer Rechtsgrundlagen, aber in der Notwehr würde ich das durchaus analog sehen.
    Anders gesagt: Wer androht muss dann auch Taten folgen lassen können.


    Daher: Wenn der Einsatz des mitgeführten OC oder Schlagstocks ausreichend erfolgversprechend ist, würde ich auf die Androhung des Schusswaffengebrauchs verzichten und direkt zu dem erfolgversprechenden Einsatz- bzw. Verteidigungsmittel greifen. Damit verliere ich nicht unnötig Zeit, die dem Angreifer zugute kommt und mir fehlt.
    Lediglich wenn der Einsatz dieser ebenfalls mitgeführten Verteidigungsmittel nicht erfolgversprechend ist (aus welchen denkbaren Gründen auch immer), kann ein Schusswaffengebrauch erforderlich sein. Und damit kann ich ihn auch androhen.

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  • Stelle ich mir auch etwas schwierig vor, Angreife auf 20 Meter, auf mich zukommend, lässt bei 10-15 Meter das Messer fallen, kommt aber unvermindert auf mich zu... wenn er schnell ist reicht im die Zeit während die Waffe geholstert und auf EKA oder OC umgegriffen wird um direkt vor meiner Nase zu stehen während ich im Bewaffnungsvorgang bin.... setzt natürlich voraus das mein Gegenüber die Geschwindigkeit deutlich erhöht und nicht gemütlich auf mich zukommt.

  • Zitat von guardian_bw


    Naja, so lange es dabei bleibt, würde ich das auch als milder ansehen.
    Problem: Wenn sich der Angreifer davon nicht beeindrucken lässt und seinen Angriff nicht beendet - was dann?


    Ja, genau da ist das Problem.
    Wobei wer den angedrohten Schusswaffengebrauch + Warnschuss ignoriert, muss sich nicht wundern, wenn die nächsten beiden Schüsse dann ins Bein gehen.


    Vor Gericht könnte man eben so argumentieren, dass zunächst das erfolgsversprechende mildeste Mittel "Drohung" versucht wurde, dann das nächst schärfere "Warnschuss" und dann das nächste erfolgsversprechende Mittel eben der gezielte Schuss war.


    Wobei ich in solchen Situationen mich frage, ob man so etwas nicht in Richtung "Suicide by cop" drehen könnte.

  • Zitat von D_R

    Vor Gericht könnte man eben so argumentieren, dass zunächst das erfolgsversprechende mildeste Mittel "Drohung" versucht wurde, dann das nächst schärfere "Warnschuss" und dann das nächste erfolgsversprechende Mittel eben der gezielte Schuss war.


    Auf diese Argumenation würde ich mich lieber nicht verlassen wollen.


    Wenn der Schusswaffengebrauch von Beginn an erforderlich wäre, wie z.B. im Beispiel von Fump mit dem Messer-Angreifer, dann sehe ich da nur wenig Probleme.


    Wenn aber der Schusswaffengebrauch nicht erforderlich war, weil ein anderes mitgeführtes milderes Mittel wie OC gleichermassen geeignet gewesen wäre, den Knüppel-Angriff zu beenden, dann wird es doch schwer werden, den letzenendes dann doch notwendigen (weil keine Zeit mehr blieb, auf eine andere Verteidigung umzusteifen) Schuss zu begründen.

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